Der Polare Rückblick greift die jüngsten Ereignisse aus den Polarregionen auf. Diese Woche werfen wir einen Blick auf die Auswirkungen eines von der NASA unterstützten Bürgerforschungsprojekts in der Antarktis, den Anstieg der Giftstoffwerte in der Arktis von Alaska und schmelzende Gletscher, die weitere Vulkanausbrüche auslösen könnten.
Der Polare Rückblick ist eine gemeinsame Veröffentlichung des Redaktionsteams von polarjournal.net. Jede*r Autor*in wählt ein Thema aus, das sie/er in der vergangenen Woche interessant und wichtig fand. Die Initialen am Ende eines jeden Abschnitts geben die/den Autor*in an. Wir wünschen Ihnen viel Spaß damit.
Von der NASA unterstütztes Citizen Science-Projekt in der Antarktis mit durchschlagendem Erfolg
Die Grenze zwischen Tourismus und Forschung verschwimmt in der Antarktis dank des von der NASA unterstützten FjordPhyto-Projekts. Im Rahmen dieser innovativen Citizen-Science-Initiative helfen Reisende auf Expeditionskreuzfahrten Forschenden die Auswirkungen der schmelzenden Gletscher auf die lebenswichtigen Phytoplanktonpopulationen der Region zu verstehen.
Eine kürzlich durchgeführte Studie, die die ersten zwei Jahre des Projekts auswertet, hat dessen großen Erfolg offenbart. Die Studie, die in der Zeitschrift Polar Research veröffentlicht wurde, ergab, dass 97% der Teilnehmenden der Meinung waren, dass ihr Mitwirken an FjordPhyto ihr Reiseerlebnis bereichert hat. Durch das Sammeln von Wasserproben und die Aufzeichnung von Daten erhalten die Touristen ein praktisches Verständnis für die wissenschaftliche Forschung, die für die Identität der Antarktis von grundlegender Bedeutung ist.
FjordPhyto, eine Zusammenarbeit zwischen den Forschenden des Scripps Institution of Oceanography, der Universidad Nacional De La Plata und verschiedenen Reiseveranstaltern, liefert wichtige Daten aus abgelegenen Fjorden, die sonst nur schwer zu überwachen wären. Das Projekt erweitert nicht nur das wissenschaftliche Wissen, sondern fördert auch eine tiefere Verbindung zum Kontinent. Wie eine Teilnehmer:in es ausdrückte, fühlte er:sie sich dadurch „weniger wie ein:e Besucher:in und mehr wie ein:e Teilhaber:in der Wissenschaftskultur, für die die Antarktis bekannt ist“.
Diese erfolgreiche Verschmelzung von Tourismus und Forschung zeigt die Effekt von Citizen Science Projekten. Sie befähigen den Einzelnen und verwandeln eine Reise zum weißen Kontinent in einen sinnvollen Beitrag zum Verständnis und zur Bewahrung dieses empfindlichen und wichtigen Ökosystems durch die Öffentlichkeit. M.W.
Giftstoffe in arktischen Walen entdeckt
Eine im Juni 2025 in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie weist auf eine deutliche Zunahme von Algentoxinen in der Arktis hin, die in direktem Zusammenhang mit der Erwärmung der Ozeane steht. Dieses Ergebnis wurde durch die Analyse von 205 Kotproben von Grönlandwalen erzielt, die zwischen 2004 und 2022 bei Jagden zum Decken des Eigenbedarfs von indigenen Gemeinschaften in Alaska gesammelt wurden.
Das Forschungsteam entdeckte zwei marine Neurotoxine: Saxitoxin, das von der Dinoflagellate Alexandrium catenella produziert wird, und Domoinsäure, die von Kieselalgen der Gattung Pseudo-nitzschia produziert wird.
Diese Toxine vermehren sich unter den kombinierten Auswirkungen steigender Temperaturen, der früheren Meereisschmelze, größerer offener Wasserflächen und Veränderungen der Wind- und Meeresströmungen. Die „Zystenbänke“ von A. catenella in den Sedimenten der Beaufortsee werden durch die Erwärmung reaktiviert, während die toxischen Zellen auch aus der Beringsee transportiert werden.
Wale, die kontaminiertes Zooplankton nach Nahrung filtern, reichern diese Toxine in ihrem Verdauungssystem an. Obwohl die in ihren Fäkalien gefundenen Konzentrationen noch gering sind, schließt das Forschungsteam die Möglichkeit einer Anreicherung im Fleisch oder in den Organen, die von Menschen verzehrt werden, nicht aus. Dies stellt ein wachsendes Risiko für die Ernährungssicherheit der arktischen Bevölkerung dar, die von Meerestieren abhängig ist. Das Autorenteam rufen zu erhöhter Wachsamkeit in Bezug auf diese Toxine in der Nahrungskette auf. C.L.
Schmelzende Gletscher könnten schlafende Vulkane wecken, warnen Wissenschaftler
Der beschleunigte Rückzug der Gletscher aufgrund des Klimawandels könnte zu häufigeren und explosiveren Vulkanausbrüchen führen. Dies geht aus einer Studie hervor, die letzte Woche auf der Goldschmidt-Konferenz in Prag vorgestellt wurde.
Die von einem Team der University of Wisconsin-Madison durchgeführten Untersuchungen, deren Ergebnisse letzten Monat im GSA-Bulletin veröffentlicht wurde, konzentrierte sich auf sechs Vulkane in den chilenischen Anden, darunter den heute inaktiven Mocho-Choshuenco. Durch die Datierung vergangener Eruptionen und die Analyse der Kristallstruktur in Vulkangestein fanden die Forscher heraus, dass die dicken Gletscher der letzten Eiszeit die vulkanische Aktivität unterdrückten, bis das schnelle Abschmelzen den aufgestauten Druck freisetzte und explosive Eruptionen auslöste.
Das Gewicht des Gletschereises wirkt wie ein Deckel, der den Magmadruck in Schach hält. Doch wenn sich die Gletscher zurückziehen, wird dieser Druck freigesetzt, die Gase dehnen sich aus, was zu heftigen Eruptionen führen kann. Dieses Phänomen ist in Island gut dokumentiert, wo bereits eine erhöhte vulkanische Aktivität beobachtet wurde. Der Studie zufolge könnten ähnliche Risiken auch in kontinentalen Regionen wie Nordamerika, Neuseeland, Russland und der Antarktis bestehen. Daher ist es nach Ansicht der Autoren dringend erforderlich, die Überwachung der von Gletschern bedeckten Vulkane zu verstärken.
Neben der geologischen Bedrohung warnt die Studie auch vor einem Klima-Rückkopplungseffekt. Während ein einzelner Ausbruch den Planeten vorübergehend abkühlen kann, wie nach dem Ausbruch des Mount Pinatubo 1991 zu sehen war, könnten mehrere Eruptionen im Laufe der Zeit große Mengen an Treibhausgasen freisetzen und so die globale Erwärmung weiter beschleunigen. M.B.