Tief unter der spiegelglatten Oberfläche der Ozeane tobt ein faszinierendes, zugleich bedrohliches Schauspiel. Dort, wo für uns Menschen nur Stille und Dunkelheit herrschen, entstehen ständig Wirbel und Strömungen von beeindruckender Größe. Einige davon mit einem Durchmesser von einem bis zu zehn Kilometer, nehmen direkten Einfluss auf das Schicksal der größten und exponierten Gletscher der Antarktis.
Ein Forschungsteam um Mattia Poinelli von der University of California, hat nun gezeigt, wie bedeutend diese wandernden Wasserwirbel wirklich sind. In ihrer in Nature Geoscience veröffentlichten Studie simulieren die Forschenden, wie solche Wirbel unter die schwimmenden Eisschelfe des Pine-Island- und Thwaites-Gletschers eindringen. Sie transportieren dabei warmes Tiefenwasser genau dorthin, wo es die größte Wirkung entfaltet, nähmlich an die empfindliche Unterseite des Eisshelfs.
Diese Warmwasserstöße dauern oft nur wenige Tage, doch ihre Wirkung ist enorm. Die Simulationen zeigen, dass die Wirbel etwa ein Fünftel des jährlichen Schmelzverlusts des Thwaites-Gletschers verursachen, jenes Gletschers, der wegen seiner Instabilität immer wieder als „Weltuntergangsgletscher“ bezeichnet wird.
Besonders brisant: Die Modelle deuten auf eine Art Teufelskreis hin. Wird durch die Wirbel mehr Eis geschmolzen, verändert das Schmelzwasser die Schichtung des Ozeans. Diese veränderte Schichtung wiederum begünstigt die Entstehung neuer Wirbel, die dann noch mehr warmes Wasser zum Eis transportieren.
Doch trotz dieser alarmierenden Ergebnisse bleibt vieles unsicher. Der Raum zwischen Eis und Meeresboden ist für Forschungsschiffe unzugänglich, und direkte Messungen sind extrem schwierig. Bislang ist jedoch unklar, ob die Simulationen die Realität hinreichend gut abbilden. Es gibt kaum Beobachtungen aus dem Ozean unter dem Eis. Einige mit Sonden gewonnenen Daten stimmen immerhin mit dem Modell überein
Was sich jedoch abzeichnet, ist klar: Unterwasserwirbel sind weit mehr als flüchtige Erscheinungen im Ozean. Sie beeinflussen Ökosysteme, steuern Energie- und Wärmetransporte und spielen eine entscheidende Rolle dafür, wie schnell die antarktischen Gletscher schmelzen.
Die Forschung steht hier erst am Anfang. Doch je besser wir diese verborgenen Kräfte verstehen, desto genauer können wir einschätzen, wie sich das Schicksal der Antarktis und damit der Meeresspiegel weltweit in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird.
Wissenschaftlichen Artikel: https://www.nature.com/articles/s41561-025-01860-8
Heiner Kubny, PolarJournal