Klimawandel verringert die Fähigkeit arktischer Fjorde, Kohlenstoff zu speichern

von Julia Hager
05/09/2025

Arktische Fjorde könnten einer neuen Studie zufolge mit der fortschreitenden Erwärmung in Zukunft weniger effektiv Kohlenstoff speichern als bisher, mit potentiell weitreichenden Folgen für das Klima.

Mehrere Gletscher münden (noch) direkt in den Kongsfjorden in Spitzbergen, an dem auch die Forschungssiedlung Ny Ålesund liegt. Durch die rasche Erwärmung der Arktis schmelzen sie schneller und tragen vermehrt Nährstoffe in den Fjord, mit Auswirkungen auf die Planktongemeinschaft. Ziehen sich die Gletscher künftig vollständig an Land zurück, wird der Nährstoffeintrag deutlich abnehmen – mit weiteren Folgen für das marine Ökosystem. Foto: Julia Hager

Arktische Fjorde könnten künftig deutlich weniger effektiv Kohlenstoff speichern als bisher. Das legen neue Forschungsergebnisse eines internationalen Teams unter der Leitung von Dr. Jochen Knies vom iC3 Polar Research Hub an der UiT The Arctic University of Norway in Tromsø nahe. Zwar könnte der Klimawandel kurzfristig die Primärproduktion in Fjorden steigern – langfristig aber leidet die Fähigkeit zur Kohlenstoffspeicherung unter schwindendem Eis, veränderten Nährstoffflüssen und zunehmender Schichtung der Wassersäule.

Im Fokus der Studie steht der Kongsfjorden auf Spitzbergen – ein Fjord, der bereits stark von der sogenannten Atlantifizierung betroffen ist: Warmes Atlantikwasser strömt vermehrt ein, das Meereis zieht sich zurück, Gletscher schmelzen. Diese Veränderungen wirken sich direkt auf die physikalischen Bedingungen und die biologische Produktivität im Fjord aus.

Das Forschungsteam untersuchte mithilfe geochemischer Biomarker aus dem Meeressediment, wie sich die Zusammensetzung des Planktons im Kongsfjorden über die vergangenen 14.000 Jahre verändert hat – von der Jüngeren Dryas, einer letzten Kältephase der Eiszeit, bis heute. 

Die am 25. April in Nature Communications Earth & Environment veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die arktischen Fjordsysteme in der Vergangenheit sensibel und abrupt auf klimatische Veränderungen wie Eisschwund und Temperaturanstieg reagierten – mit drastischen Verschiebungen in der Artenzusammensetzung der Phytoplanktongemeinschaft und der Fähigkeit der Fjorde, Kohlenstoff zu speichern.

Kohlenstoffsenken im Wandel

Fjorde gelten als bedeutende Kohlenstoffsenken: Phytoplankton nimmt bei der Photosynthese Kohlendioxid auf, ein Teil dieses organischen Materials sinkt auf den Meeresboden und wird dort langfristig gespeichert – ein natürlicher Mechanismus, der zur Klimaregulierung beiträgt. Wie effizient dieser Prozess funktioniert, hängt allerdings stark von lokalen Umweltbedingungen ab.

Während der Jüngeren Dryas war die Meereisbedeckung im Kongsfjorden sehr ausgedehnt. Nur spezialisierte Eisalgen konnten überleben und die Produktivität war gering. 

Mit dem Ende dieser Kaltzeit – vor etwa 11.600 Jahren – kam es zu einem rapiden Temperaturanstieg, der zum Rückzug der Gletscher führte. Gleichzeitig spülte das Schmelzwasser der Gletscher große Mengen an Nährstoffen ins Meer und löste eine drastische Veränderung der Phytoplanktongemeinschaft aus: Kieselalgen dominierten, die Primärproduktion stieg stark an und mit ihr auch der Eintrag organischen Kohlenstoffs ins Sediment. 

Diatomeen, oder Kieselalgen (hier eine Aufnahme antarktischer Arten), dominierten die Phytoplanktongemeinschaft im Kongsfjorden als nach der Jüngeren Dryas die Temperatur anstieg und vermehrt Nährstoffe durch die Gletscherschmelze in den Fjord gespült wurden. Foto: Julia Hager

Dieser Effekt war jedoch nur vorübergehend. In der folgenden Wärmeperiode, dem thermischen Maximum des Holozäns ca. 10.000 – 6.000 Jahre vor heute, führte durch den Schmelzwassereintrag weniger salzhaltiges Oberflächenwasser zu einer stärkeren Schichtung der Wassersäule und somit zu einer Behinderung des vertikalen Transports. 

Aus tieferen Wasserschichten gelangten weniger Nährstoffe in die lichtdurchflutete Oberflächenschicht und die biologische Pumpe, die Kohlenstoff in Form von Ausscheidungen und abgestorbenem organischem Material in die Tiefe transportiert, geriet ins Stocken. Zwar blieb die Produktivität in der Oberflächenschicht hoch, doch es gelangte weniger von dem gebundenen Kohlenstoff dauerhaft in den Meeresboden.

«Die von uns beobachteten Veränderungen deuten darauf hin, dass die Zukunft dieser Fjord-Ökosysteme stark davon abhängen wird, wie gut sie sich an ein wärmeres Klima anpassen», sagt Dr. Knies in einer Pressemitteilung des Instituts.

Auswirkungen auf das Fjord-Ökosystem

Diese historischen Muster könnten sich heute erneut wiederholen – allerdings in beschleunigtem Tempo. In einer Email an polarjournal.net warnt Dr. Knies: 

«Die entscheidende Frage wird sein, ob sich die Schichtung der Wassersäule, die wir während des thermischen Maximums des Holozäns beobachtet haben, auf den offenen Ozean und den künftigen eisfreien Arktischen Ozean einschließlich der Schelfmeere wie der Barentssee ausweitet. Wenn dies der Fall ist, können die Auswirkungen der verringerten Kohlenstoffspeicherkapazität enorm sein.» 

Gerade die Barentssee gilt derzeit als bedeutende Kohlenstoffsenke, da dort große Mengen organischen Kohlenstoffs aus der produktiven oberen Wasserschicht auf den Meeresboden gelangen. «Wenn die Barentssee aufgrund höherer Oberflächentemperaturen stärker geschichtet sein wird, könnte der Ozean diese Kapazität verlieren, da der in der photischen Zone produzierte Kohlenstoff wahrscheinlich remineralisiert wird, bevor er den Meeresboden erreicht».

Dr. Jochen Knies ist auch einer der Leiter des kürzlich vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts i2B – Into The Blue, das darauf abzielt, vergangene Treibhausklimata in der Arktis zu erforschen und wertvolle Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich die Region unter dem aktuellen Klimawandel entwickeln könnte. Foto: via iC3

Hinzu kommt der große Einfluss des Gletscherschmelzwassers als Nährstoffquelle. Das Verschwinden der Gletscher hat unvorhersehbare Folgen auf die Nährstoffversorgung im Fjord und könnte die Gesundheit der Fjord-Ökosysteme langfristig beeinträchtigen. Ist der Nährstofffluss nicht mehr zuverlässig gegeben, kann das ökologische Gleichgewicht gestört werden, mit Folgen für das Nahrungsnetz und die Gesamtproduktivität der Fjorde.

Die Rolle arktischer Fjorde zur Kohlenstoffspeicherung

Die Fjorde in der Arktis nehmen zwar nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche des Arktischen Ozeans ein, leisten aber einen entscheidenden Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung.

Wie groß ihr Einfluss tatsächlich ist, zeigen aktuelle Daten aus Norwegen: Laut einer Studie vom Juni 2024, an der Dr. Knies ebenfalls beteiligt war, sind allein in den obersten zehn Zentimetern der Sedimente am norwegischen Kontinentalrand rund 814 Millionen Tonnen organischen Kohlenstoff gespeichert – bei einer jährlichen Akkumulationsrate von etwa sechs Millionen Tonnen. Besonders aktiv sind dabei die von Gletschern eingeschnittenen Fjorde, die für fast die Hälfte der Speicherung verantwortlich sind. Damit übertreffen diese marinen Sedimente die Kapazitäten vieler bewachsener Küstenökosysteme wie Seegraswiesen oder Salzwiesen deutlich.

Diese Ergebnisse unterstreichen die zentrale Rolle, die Fjorde im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen – und wie wichtig es ist, ihre künftige Entwicklung genau zu beobachten. Denn ihre Speicherfähigkeit könnte in einer wärmer werdenden Arktis deutlich abnehmen, wodurch mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleibt – mit entsprechendem Potenzial für eine weitere globale Erwärmung.

Link zur Studie: Knies, J., Ahn, Y., Ebner, B. et al. Arctic fjord ecosystem adaptation to cryosphere meltdown over the past 14,000 years. Commun Earth Environ 6, 298 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02251-y