Ein Drohnenexperiment über dem grönländischen Eisschild ermöglichte erstmals detaillierte Messungen des Wasserdampfs in der Atmosphäre über Grönland. Diese neue Technologie könnte zur Verbesserung von Klimamodellen beitragen und dabei helfen, den zukünftigen Beitrag Grönlands zum globalen Meeresspiegelanstieg besser einzuschätzen.
Grönland verliert unaufhörlich an Eis – den größten Teil durch Schmelzwasser und kalbende Gletscher. Doch auch ein kaum sichtbarer, bislang schwer zu quantifizierender Prozess trägt zum Schwund bei: Sublimation – der direkte Übergang von Eis in Wasserdampf, ohne dass es zuvor schmilzt.
Dieser Teil des Wasserkreislaufs ist jedoch noch kaum verstanden. Wo genau der aufsteigende Wasserdampf herkommt, wie er sich in der Atmosphäre verhält und ob er später wieder als Schnee über Grönland fällt oder dauerhaft das System verlässt, war bislang weitgehend unklar.
Ein internationales Forschungsteam um den Doktoranden Kevin Rozmiarek von der University of Colorado Boulder hat nun einen entscheidenden Fortschritt gemacht. Die Forschenden sammelten mithilfe einer speziell konstruierten Drohne erstmals detaillierte Wasserdampfproben über dem grönländischen Inlandeis. Ihre Studie wurde am 14. März 2025 im Fachjournal JGR Atmospheres veröffentlicht.
Bislang war das Sammeln von Luftproben über dem riesigen grönländischen Inlandeis aufwändig, teuer und oft nur mit bemannten Forschungsflugzeugen möglich. Doch wie in vielen anderen Bereichen der Wissenschaft erweisen sich Drohnen auch hier als effiziente Werkzeuge, um Forschungslücken in schwer zugänglichen Regionen zu schließen.
Für das Sammeln der Proben in der Atmosphäre rüstete das Team eine Drohne mit starren Tragflächen und einer Spannweite von rund drei Metern mit empfindlicher Messtechnik aus und startete während des arktischen Sommers 2022 insgesamt 104 Flüge vom Bohrcamp des East Greenland Ice-Core Project im Innern der Insel aus.
Ziel war es, Luftproben in verschiedenen Höhen – bis zu 1.500 Meter über der Eisoberfläche – zu sammeln und dabei die Isotopenzusammensetzung des in der Atmosphäre enthaltenen Wassers zu analysieren. Die Wassermoleküle tragen je nach Herkunft unterschiedliche Isotope von Wasserstoff und Sauerstoff in sich, die Hinweise darauf geben, woher das Wasser stammt und wohin es sich bewegt.
«In den nächsten Jahren werden wir in der Lage sein zu verstehen, wie das Wasser in Grönland ein- und ausströmt», sagte Kevin Rozmiarek, Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung der Universität. «Als bedeutendes Süßwasserreservoir müssen wir verstehen, wie sich die Umwelt Grönlands in Zukunft verändern wird.»
Bisher gab es zwar umfangreiche Daten zu Niederschlägen und Oberflächenwasser in der Arktis, doch über den Wasserdampf war wenig bekannt. Auch wie viel Wasserdampf tatsächlich durch Sublimation entsteht und wie er sich verhält, war unklar. Frühere Schätzungen gehen davon aus, dass im Sommer in einigen Regionen Grönlands bis zu 30 Prozent des Oberflächenschnees auf diesem Weg in die Atmosphäre übergehen könnten.
Als die Forschenden ihre Ergebnisse mit bestehenden Klimasimulationen verglichen, stellten sie fest, dass das Modell den Niederschlag deutlich unterschätzte. Durch die Einbindung der neuen Isotopendaten konnte das Modell verbessert werden und zeigte nun eine realistischere Darstellung des Wasserkreislaufs über dem Eisschild.
«Es ist wirklich wichtig, möglichst genau vorhersagen zu können, was in einer sich erwärmenden Welt mit Grönland passieren wird», erklärt Rozmiarek. «Wir haben gezeigt, wie nützlich Wasserdampf-Isotopendaten sind, indem wir ein bestehendes Modell erfolgreich verbessert haben.»
Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung, denn Grönland spielt eine Schlüsselrolle im globalen Klimasystem. Der Eisschild enthält rund acht Prozent des weltweiten Süßwassers. Seit 1992 hat die Insel laut der US-Klimabehörde NOAA über 5 Billionen Tonnen Eis verloren – allein zwischen Herbst 2023 und Herbst 2024 waren es etwa 55 Gigatonnen. Und das Eis schwindet weiter: bereits im 28. Jahr in Folge.
«Es ist, als ob wir gerade herausgefunden hätten, wie man Fingerabdrücke an einem Tatort entdeckt. Dies ist ein konkreter Schritt nach vorn, um zu verstehen, wohin das Wasser in diesem wichtigen System fließt und woher es kommt, und das zu einer Zeit, in der wir es am meisten brauchen», so Rozmiarek.