Antarktis-Kreuzfahrt mit „heissem“ Programm: Freizeitpark-Tourismus oder Einzelfall?

von Dr. Michael Wenger
03/13/2025

Eine ungewöhnliche Reise in die Antarktis im Januar 2025 sorgte für neue Diskussionen zur Entwicklung des Tourismus in dieser einzigartigen Region. Das „7th Continent Adventure“, das Mitte Januar 2025 begonnen hatte, richtete sich speziell an Paare ab 21 Jahren, die eine Mischung aus Entdeckungsreise in die Antarktis und Unterhaltung für Erwachsene suchten. In den Werbematerialien wurden Themenabende wie „Naughty Nautical“ und „Fetish“ sowie ein spezielles „Spielzimmer“, das rund um die Uhr geöffnet war, und Seminare zu Themen wie ethische Non-Monogamie und Tantra beworben. Die Kreuzfahrt versprach ein „erotisches Abenteuer“ vor der Kulisse der antarktischen Wildnis.

Die Pracht der Antarktis wurde im Januar für eine „heiße“ Kreuzfahrt genutzt und löste eine ebenso „heiße“ Debatte darüber aus, ob sich die Antarktis zu einem Themenpark entwickelt oder nicht. Symbolisches Foto: Polar Journal Archiv

Anmerkung der Redaktion: In diesem Artikel verzichten wir bewusst darauf, die an dieser Veranstaltung beteiligten Unternehmen namentlich zu nennen, da es nicht unsere Absicht ist, Werbung zu machen oder über die Art der Kreuzfahrt zu moralisieren, sondern die weiteren Auswirkungen auf den Antarktistourismus zu analysieren.

Ein Abenteuer nur für Erwachsene

Das „7th Continent Adventure“, das Mitte Januar 2025 begonnen hatte, richtete sich speziell an Paare ab 21 Jahren, die eine Mischung aus Entdeckungsreise in die Antarktis und Unterhaltung für Erwachsene suchten. In den Werbematerialien wurden Themenabende wie „Naughty Nautical“ und „Fetish“ sowie ein spezielles „Spielzimmer“, das rund um die Uhr geöffnet war, und Seminare zu Themen wie ethische Non-Monogamie und Tantra beworben. Die Kreuzfahrt versprach ein „erotisches Abenteuer“ vor der Kulisse der antarktischen Wildnis.

Operativ war die Reederei für die Fahrt verantwortlich, jedoch nicht inhaltlich und sie entsprach in operativer Hinsicht den Richtlinien der International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO). Die IAATO, die selbstregulierende Organisation, die den Antarktistourismus managt, stellt strenge Anforderungen, um die Umweltbelastung zu minimieren und die Sicherheit zu gewährleisten. Diese Richtlinien wurden wohl allen Passagieren vorgestellt. Obwohl separate Ausflüge angeboten wurden, deutete deren Verfügbarkeit darauf hin, dass der traditionelle Antarktisbesuch eine Option blieb, wenn auch nicht ein wesentlicher Bestandteil der Themenkreuzfahrt. Der Charterer merkte an, dass der Schiffsbetreiber „sehr daran interessiert war, die Veranstaltung durchzuführen“, was auf ein kommerzielles Interesse an der Erweiterung des Angebots an Antarktis-Kreuzfahrten hindeutete. Das Reisebüro führte auch eine „Richtlinie für Regeln und Vorschriften“ für seine Kunden ein, die ausgewiesene Spielbereiche vorsah, um sicherzustellen, dass Aktivitäten für Erwachsene auf bestimmte Bereiche des Schiffes beschränkt blieben.

„Was an Bord geschieht, bleibt an Bord“

Der rechtliche Rahmen für den Antarktistourismus ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis dieser Veranstaltung. Das Regelwerk der IAATO befasst sich primär mit Umweltschutz und Sicherheit bei Landgängen und Anlandungen. Aktivitäten, die ausschließlich an Bord gecharterter Schiffe durchgeführt werden, fallen weitgehend nicht in den direkten Zuständigkeitsbereich der IAATO, sofern sie nicht gegen das übergreifende Antarktisvertragssystem verstoßen. Hier gilt normalerweise die Regel „What’s on a ship, stays on ship“ (Was auf einem Schiff ist, bleibt auf dem Schiff), so lange die Aktivitäten nicht gegen die Regeln und gesetzlichen Bestimmungen verstossen, denen die Reederei verpflichtet ist.

Die Ankündigung dieser Kreuzfahrt löste große Kontroversen aus, insbesondere wegen ihrer vermeintlichen Unvereinbarkeit mit der empfindlichen antarktischen Umwelt. So äußerten kritische Stimmen Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit von „Sexkreuzfahrten“ in der Antarktis. Einige Kommentatoren bezeichneten sie als „zutiefst geschmacklos“ und warnten, dass sie die „Zerstörung der letzten großen Wildnis der Erde“ beschleunigen könnten. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Antarktistourismus werden diese Bedenken noch verstärkt. In der Saison 2023/2024 wurden in der Antarktis über 80.000 Landbesucher und über 43.000 Kreuzfahrtbesucher gezählt, neben einer kleineren Anzahl von Besuchern, die sich in entlegenere Gebiete begaben. Die Besucherzahlen haben sich zwischen 1990 und 2020 verzehnfacht, wobei dieses Wachstum mit einer Ausweitung der touristischen Aktivitäten wie Kajakfahren, Tauchausflügen und Hubschrauberrundflügen einherging.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Antarktis-Tourismus von einem reinen Erkundungstourismus zu einem eher unterhaltungsorientierten Tourismus gewandelt. Foto: Michael Wenger

Dies gibt Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Umweltauswirkungen, insbesondere in Bezug auf Kohlenstoffemissionen, potenzielle Störungen der Tierwelt und das Risiko der Einschleppung invasiver Arten. Untersuchungen zeigen, dass touristische Aktivitäten das Brut- und Sozialverhalten von Pinguinen verändern können, und die Ablagerung von Ruß aus Schiffsabgasen beschleunigt nachweislich die Schneeschmelze. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit weist darauf hin, dass bestimmte touristische Angebote dazu beitragen können, dass die Antarktis ihre einzigartigen Eigenschaften verliert und sich möglicherweise in einen „entlegenen Konsumraum“ verwandelt.

Während die IAATO für einen verantwortungsvollen Tourismus eintritt und Strategien zur Schadensbegrenzung umsetzt, argumentieren einige Experten, dass die Selbstregulierung möglicherweise nicht genügt um die empfindlichen Ökosysteme der Antarktis vor dem eskalierenden Druck des Tourismus zu schützen. Die IUCN weist darauf hin, dass die bestehenden Vorschriften möglicherweise nicht ausreichen, um die Antarktis vor den Auswirkungen des Tourismus zu schützen, und fordert ein effektiveres und proaktiveres Management auf der Grundlage von Wissenschaft und bewährten Verfahren.

Themenpark-orientierte oder pädagogische Zukunft

Die Frage, ob die Antarktis ein „Themenpark-Reiseziel“ wird, ist nicht ganz neu. Bereits in der Vergangenheit wurde ähnlich über Kreuzfahrten beispielsweise mit familienfreundlichem Thema diskutiert, insbesondere als Disney ankündigte, solche Reisen anbieten zu wollen. Obwohl Disney Cruise Line im Rahmen seines „Adventures by Disney“-Programms Expeditionskreuzfahrten in die Antarktis angeboten hat, deutet die Tatsache, dass diese in den nächsten Jahren nicht mehr angeboten werden, darauf hin, dass ein groß angelegter familienorientierter Massentourismus durch große Marken möglicherweise kein unmittelbarer und wachsender Trend für die Antarktis hin zu einem Themenpark ist. Dies wirft die Frage auf, ob die jüngste Kreuzfahrt für Erwachsene in ähnlicher Weise betrachtet werden sollte – als ein potenziell kontroverses, aber letztlich isoliertes Ereignis und nicht als ein definitiver Schritt in Richtung einer weit verbreiteten Kommerzialisierung der Antarktis als Themenpark.

Auf der anderen Seite wird der Antarktistourismus auch als potenzielle treibende Kraft im positiven Sinne gesehen. Er kann inspirierende und lehrreiche Erfahrungen bieten, die öffentliche Unterstützung für den Schutz der Antarktis fördern und „Botschafter“ für den Schutz der Region schaffen. Die IAATO legt den Schwerpunkt auf verantwortungsvollen Tourismus und hat Maßnahmen wie Besucherrichtlinien und Beschränkungen der Besucherzahlen an den Anlegestellen in Absprache mit Forschung und Verwaltung der Region eingeführt. Der zunehmende Umfang und die Ausweitung der Angebote sowie der CO2-Fußabdruck von Fernreisen in die Antarktis (durchschnittlich 3,76 Tonnen CO2 pro Tourist) stellen jedoch eine große Herausforderung dar.

Schiffe, die in den antarktischen Gewässern kreuzen, fahren immer noch mit Diesel, der Abgase und schwarzen Kohlenstoff erzeugt. Obwohl sie nicht die einzigen in diesem Gebiet sind, gelten die Touristenschiffe als die größten Emittenten und der Kohlenstoff-Fußabdruck der Touristen wird als der größte von allen Menschen, die die Antarktis besuchen, angesehen. Symbolisches Foto: Michael Wenger

Die Natur der Charterfahrt ist Geschmackssache, doch sie wurde im Rahmen der geltenden Vorschriften und des IAATO-Rahmens für den schiffsbasierten Tourismus durchgeführt. Ob sie einen Übergang zu einem Antarktis-Themenpark darstellt, ist eine Auslegungssache. Sie könnte als Einzelfall betrachtet werden, als Nischenveranstaltung, die ein bestimmtes Marktsegment bedient, ohne die allgemeine Entwicklung des Antarktistourismus grundlegend zu verändern. Andererseits unterstreicht es die inhärenten und wachsenden Spannungen zwischen kommerziellen Interessen, die aus der Anziehungskraft der Antarktis Kapital schlagen wollen, und der dringenden Notwendigkeit, ihre empfindliche Umwelt für künftige Generationen zu schützen.

Auch wenn es sich bei diesem Vorfall nicht einmal annähernd um ein Fehlverhalten handelt, könnten Ereignisse wie dieses erneut als kritischer Faktor dienen und zu einer anhaltenden Bewertung und Debatte über die nachhaltige Bewirtschaftung und die zukünftige Ausrichtung des Tourismus in der Antarktis führen, Die schliesst Diskussionen über mögliche Besucherbeschränkungen, strengere Vorschriften und die Angemessenheit der Selbstregulierung angesichts zunehmender und vielfältigerer touristischer Aktivitäten mit ein. Als mögliche Managementstrategie wird vorgeschlagen, die Antarktis als Nationalpark mit Eintrittsgebühren zu betrachten. Jedenfalls wird das Thema auf der bevorstehenden ATCM-Tagung in Mailand, Italien, für viel Gesprächsstoff sorgen und bleibt ein heißes Eisen, ob mit oder ohne Erwachsenenthema.

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