The Herds – Eine epische Migration von Afrika bis in die Arktis

von Dr. Michael Wenger
04/23/2025

Eine einzigartige Herde afrikanischer Wildtiere zieht derzeit vom Kongo zum Polarkreis, um nicht nur auf die globalen Auswirkungen des Klimawandels hinzuweisen, sondern auch um die Verbindung zwischen Mensch und Natur zu erneuern.

Derzeit findet eine beispiellose Wanderung quer über den Globus statt – nicht mit Tieren aus Fleisch und Blut, sondern mit Kunstwerken, die eine dringende Warnung aussenden. Lebensgroße Tierpuppen, die von geschickten Händen gefertigt wurden, sind auf einer epischen Reise nach Norden, eine eindringliche visuelle Metapher für einen Planeten im Wandel. Das Projekt „The Herds“ gilt als bahnbrechende öffentliche Kunst- und Klimainitiative, die weltweit Aufmerksamkeit erregen kann.

Das Projekt ist mehr als ein bloßes Spektakel. Es stellt eine neuartige Verschmelzung von künstlerischem Ausdruck und wissenschaftlicher Kommunikation dar und soll laut seiner Mission „zum Handeln inspirieren und unsere Verbundenheit mit der natürlichen Welt erneuern“, während es gleichzeitig „die Dringlichkeit der Klima- und Biodiversitätskrise“ anschaulich macht. Die ehrgeizige Reise gipfelt nicht nur an einer geografischen Koordinate, sondern an einem wichtigen Symbol unserer sich verändernden Welt: dem Polarkreis. Dieses Endziel verleiht dem gesamten Vorhaben eine tiefgreifende ökologische Bedeutung und macht das Ende der Reise zu einer Konfrontation mit den Realitäten des Klimawandels an einer seiner sensibelsten Grenzen. Die Initiative zielt darauf ab, die einzigartige Kraft der Kunst zu nutzen – ihre Fähigkeit, Empathie zu wecken und intellektuelle Abwehrmechanismen zu umgehen, wo nüchterne Daten manchmal versagen – um die kritische Kluft zwischen dem wissenschaftlichen Verständnis der Klimakrise und den weitreichenden öffentlichen Maßnahmen, die zu ihrer Bewältigung erforderlich sind, zu überbrücken.

Der lange Weg nach Norden: Ein Planet in Bewegung

Das Ausmaß des Vorhabens von „The Herds“ ist enorm. Mit einer voraussichtlichen Distanz von über 20’000 Kilometern zwischen April und August 2025 stellt die Reise eine der ehrgeizigsten öffentlichen Kunstwanderungen dar, die je konzipiert wurde. Die geplante Route führt über verschiedene Kontinente und Kulturen und beginnt in den lebenswichtigen Ökosystemen des Kongobeckens (Kinshasa, DRC). Von Zentralafrika aus werden die symbolischen Herden durch Westafrika ziehen, mit geplanten Stopps in Lagos, Nigeria, und Dakar, Senegal, bevor sie über Marrakesch und Casablanca in Marokko nach Nordafrika gelangen. Die Reise geht weiter in Richtung Norden nach Europa, wo „The Herds“ Spanien und Frankreich durchquert, bevor sie das Vereinigte Königreich (London und Manchester) erreicht und schließlich durch Skandinavien zieht, einschließlich Aarhus und Kopenhagen in Dänemark, Stockholm in Schweden und Trondheim in Norwegen.

Diese sorgfältig geplante Route von Süden nach Norden hat eine tiefe symbolische Bedeutung. Das Projekt stellt die Reise der Puppen ganz klar als „Flucht vor der Klimakatastrophe“ dar. Das spiegelt auf eindrucksvolle Weise die realen ökologischen Probleme und die möglichen Reaktionen der Menschen auf Umweltbelastungen wider – die Wanderung von Tierarten auf der Suche nach einem besseren Klima und die Gefahr, dass Menschen durch Wüstenbildung, steigende Meeresspiegel und Ressourcenknappheit ihre Heimat verlieren. Durch die physische Verbindung von Regionen wie dem Kongobecken, das mit Entwaldung und Biodiversitätsverlust zu kämpfen hat, mit der sich rasch erwärmenden Arktis wird die Route selbst zu einem narrativen Mittel. Sie unterstreicht die Vernetzung der globalen Ökosysteme und zeigt, dass Klimafolgen in einem Teil der Welt Auswirkungen auf den gesamten Planeten haben und eine einheitliche globale Perspektive statt isolierter regionaler Anliegen erfordern. Entlang der Route sollen geplante Events und Performances mit weltbekannten Künstlern an jedem Ort lokale Diskussionen anregen und Gemeinschaften zusammenbringen, um so eine gemeinsame Erfahrung entlang dieser globalen Migrationsroute zu schaffen.

Die Migrationsroute von „The Herds“ im globalen Maßstab gesehen. Beginnend in Kinshasa, werden zwischen April und August 2025 zwanzig Städte auf der Liste stehen. Die Route der Herde wird irgendwo auf oder über dem Polarkreis enden. Grafik: Michael Wenger über Google Earth

In die Arktis: Eine symbolische Grenze

Während die Reise ihrem Ende im August 2025 näher kommt, verlagert sich der Fokus der Erzählung dramatisch auf die letzte, entscheidende Etappe: die Überquerung des Polarkreises und den Höhepunkt der Reise innerhalb des Polarkreises. Diese Region hat eine unvergleichliche Bedeutung in der Debatte um den Klimawandel. Die Arktis erwärmt sich weit über dem globalen Durchschnitt, was zu einem dramatischen Abschmelzen des Meereises, zum Auftauen des Permafrostbodens und zu tiefgreifenden Auswirkungen auf einzigartige Ökosysteme und indigene Gemeinschaften führt. Diese Veränderungen sind weltweit spürbar, beeinflussen Wetterverhältnisse und Meeresströmungen und tragen zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Die Wahl der Arktis als Endziel verleiht dem Projekt eine starke Aussagekraft und konfrontiert die symbolischen Flüchtlinge des Klimawandels mit einer der eindringlichsten Klimagrenzen unseres Planeten.

Den Projektinfos zufolge soll die Reise in „einer der nördlichsten Städte der Welt innerhalb des Polarkreises“ ihren Höhepunkt erreichen. Genauere Infos zur Stadt, zur Route innerhalb der Arktis oder zu den täglichen Aktivitäten in dieser letzten Phase sind aber noch nicht bekannt. Der Höhepunkt wird spannend als „kraftvoller Schlussakt“ beschrieben, der noch nicht verraten wird. Diese bewusste Unklarheit steigert die Spannung und verleiht dem Projekt, das Performancekunst mit einer dringenden Botschaft verbindet, einen Hauch von Geheimnis. Sie spiegelt auch auf subtile Weise die allgemeine Unsicherheit über die Zukunft der Arktis wider. Anstatt ein klares Ende vorzugeben, lenkt der offene Charakter des letzten Akts die Aufmerksamkeit auf die tiefgreifende Bedeutung der Ankunft in dieser sensiblen Region, die möglicherweise einen Moment der Abrechnung, der Reflexion oder vielleicht auch eine fragile Hoffnung darstellt, die aus der kargen Landschaft aufkeimt. Die symbolische Bedeutung dieses nördlichen Zufluchtsorts – oder potenziellen zukünftigen Opfers – des Klimawandels bildet eine dramatische Kulisse für die ultimative Botschaft von „The Herds“.

Kunst, Wissenschaft und die arktische Stille: Die Verwebung von Botschaft und Medium

Das Herds-Projekt bewegt sich grundsätzlich an der Schnittstelle zwischen künstlerischem Ausdruck und wissenschaftlicher Kommunikation. Die Wahl lebensgroßer Puppen als Botschafter ist wohlüberlegt. Puppen besitzen eine universelle Anziehungskraft und sind in der Lage, Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede zu überwinden. Sie können Verwundbarkeit verkörpern, indem sie die vom Klimawandel bedrohten, vertriebenen Tiere und fragilen Ökosysteme darstellen. Gleichzeitig sorgen ihre Größe und ihre Bewegungen für ein visuelles Spektakel, das Aufmerksamkeit erregt. Von Künstlern gefertigt und animiert, verleihen sie dem abstrakten Konzept der Klimakrise eine emotionale Resonanz und wollen Empathie wecken, wo Statistiken allein abstrakte Zahlen bleiben.

Die Ankunft dieser bunten, von Menschen gemachten Kreationen in den riesigen, oft kargen, aber wunderschönen und scheinbar wilden Landschaften der Arktis verspricht einen starken visuellen und thematischen Kontrast. Man stelle sich diese bunten Formen vor, wie sie sich vor dem Hintergrund einer arktischen Landschaft oder der einzigartigen Architektur einer nördlichen Siedlung bewegen. Dieser Kontrast zeigt, wie sehr selbst die abgelegensten Gegenden von Menschen geprägt sind, und stellt romantische Vorstellungen von unberührter Wildnis infrage. Sie unterstreicht visuell die Botschaft, dass menschliches Handeln und seine Folgen – dargestellt durch die vor der Katastrophe flüchtenden Puppen – untrennbar mit dem Schicksal der Arktis verbunden sind. Diese Performance auf einer Bühne tiefgreifender ökologischer Veränderungen könnte die Wahrnehmung verändern und die Arktis nicht nur als fernes Opfer des Klimawandels oder als wissenschaftliches Laboratorium darstellen, sondern als zentralen Ort für den globalen Dialog, für künstlerische Reflexion und für das Verständnis unserer miteinander verflochtenen Zukunft.

Zwar gibt es noch keine genauen Angaben zu den Interaktionen mit der arktischen Umwelt oder den lokalen Gemeinden, doch würde ein solches Engagement unweigerlich logistische Herausforderungen und ethische Überlegungen mit sich bringen, wenn man eine groß angelegte Aufführung in eine so sensible Region bringt, was der Geschichte des Projekts möglicherweise weitere Ebenen hinzufügen dürfte. Die Projektverantwortlichen betonen das Ziel, die Dringlichkeit zu visualisieren, was darauf hindeutet, dass der letzte Akt wahrscheinlich diese einzigartige Umgebung für eine maximale Wirkung nutzen wird.

Echos aus dem Norden: Ein globaler Aufruf zum Handeln

Auf seinem Weg zum Polarkreis trägt das Projekt „The Herds“ mehr als nur Tierpuppen mit sich. Es transportiert die Botschaft, dass dringend Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt erforderlich sind, die durch das Ziel in einer der klimatisch sensibelsten Regionen der Erde noch verstärkt wird. Die Initiative zeichnet sich durch ihren neuartigen Ansatz aus: Sie nutzt die emotionale Kraft großformatiger öffentlicher Kunst, unternimmt eine epische transkontinentale Reise und wählt eine symbolisch aufgeladene letzte Etappe. Sie stellt ein kühnes Experiment in der Umweltkommunikation dar und testet die Fähigkeit der Kunst, das öffentliche Bewusstsein auf globaler Ebene zu mobilisieren.

Das Projekt soll aber nicht nur die Leute erreichen, die die Herden direkt sehen. Die Organisatoren laden alle ein, mitzumachen – man kann die Herden treffen, lernen, wie man Puppen spielt, sich für den Klimaschutz engagieren oder sogar eigene kleine Tierpuppen basteln, die bei der symbolischen Wanderung mitmachen. So soll die Botschaft in Gemeinden auf der ganzen Welt verbreitet werden.

Letztendlich will „The Herds“ ein bleibendes Echo erzeugen: eine globale Diskussion, die durch das beeindruckende Bild von Tierpuppen ausgelöst wird, die über Kontinente wandern und unter dem weiten Himmel der Arktis zusammenkommen. Es ist ein Aufruf, nicht nur zuzuschauen, sondern sich zu engagieren – über unsere Verbundenheit mit der Natur nachzudenken und gemeinsam die sich abzeichnende Klimakrise anzugehen, bevor die symbolische Reise der vertriebenen Kreaturen für unzählige Arten, darunter möglicherweise auch unsere eigene, zur unumkehrbaren Realität wird. Der kraftvolle Schlussakt in der Arktis, wie auch immer er aussehen mag, verspricht ein bewegender Höhepunkt dieser außergewöhnlichen globalen Performance zu werden.

Erfahrt mehr über The Herd und folgt dem Link hier


Mehr zu diesem Thema