NONAM feiert die Sommersonnenwende im Zeichen der zirkumpolaren indigenen Kulturen

von Mirjana Binggeli
06/20/2025

Treffpunkt ist am Sonntag, 22. Juni, im NONAM. Das Zürcher Museum empfängt Kunstschaffende, Designerinnen/Designer und indigene Vertreterinnen und Vertreter aus dem Yukon und Norwegen zu einem Tag voller Festivitäten und interkulturellem Dialog.

Iŋgor Ántte Áilu Gaup, alias Ailloš, wird einer der Gäste an diesem sonnigen Tag sein. Als Sänger und Musiker wird er das NONAM-Publikum mit dem traditionellen Same-Gesang, dem Joik, bekannt machen. Foto: Johan Mathis Gaup / NONAM

Am 22. Juni, wenn die Sonne am Himmel über Zürich ihren höchsten Stand erreicht, lädt das North American Native Museum (NONAM) seine Besucher zu einem besonderen Ereignis ein: dem Tag der indigenen Völker, einer jährlichen Feier zu Ehren der indigenen Völker. Mit Konzerten, Führungen und Diskussionen wird das NONAM 2025 ein Treffpunkt für Stimmen aus dem hohen Norden sein, vom kanadischen Polarkreis bis zum Land der Samen in Norwegen.

In Anlehnung an den National Indigenous Peoples Day, der am 21. Juni in Kanada begangen wird, hat das NONAM bewusst die Zeit der Sommersonnenwende gewählt, um indigene Kulturen in den Vordergrund zu rücken. «Die Sonnenwende hat für viele indigene Völker in den Polarregionen eine tiefe Bedeutung», erklärt Sarah Manthei, Kommunikationsbeauftragte bei NONAM. «In diesen nördlichen Breitengraden sind die Zyklen von Licht und Dunkelheit extrem, mit einer langen Polarnacht im Winter und Dauerlicht im Sommer. Die Sonnenwenden markieren wichtige Wendepunkte in diesen Zyklen, die eng mit den natürlichen Rhythmen und kulturellen Traditionen verbunden sind.“

Bei den Samen in Norwegen, Schweden und Finnland strukturieren diese saisonalen Zyklen den Alltag ebenso wie Rituale: Rentierzucht, Gemeinschaftsversammlungen, Gesänge und Erzählungen. In Zürich wird diese lebendige Erinnerung durch die Anwesenheit eines besonderen Gastes Gestalt annehmen.

Ailloš, die vibrierende Stimme der Samischen Tradition

Der Sänger und Künstler Ailloš, mit bürgerlichem Namen Iŋgor Ántte Áilu Gaup, kehrt für ein Joik-Konzert ins NONAM zurück, eine uralte samische Gesangskunst, die Atem, Emotionen und den Ruf nach der Natur miteinander verbindet. Er wurde in einer Familie von Rentierzüchtern in Norwegen geboren und verbindet seit 40 Jahren die Traditionen der Same mit musikalischen Einflüssen aus anderen Ländern wie Jazz, klassischer Musik, afrikanischen Rhythmen oder Inuit-Gesängen.

Er ist ein transdisziplinärer Künstler, Mitbegründer des Nationaltheaters same Beaivváš, Komponist, Dramatiker und Übersetzer. „Sein Werk, das tief in der Sami-Kultur verwurzelt ist, überschreitet kulturelle und künstlerische Grenzen“, betont das NONAM. Seine Aufführungen, die an der Grenze zwischen Ritual und zeitgenössischer Bühne angesiedelt sind, verkörpern diese pluralistische Identität, die sich durch die gesamte Veranstaltung zieht.

Yukon in voller Pracht

Ein weiterer Höhepunkt des Tages ist der Besuch der Ausstellung „Honouring Our Future”, die den Regalia gewidmet ist, den zeremoniellen Gewändern, die von jungen indigenen Absolventen aus dem Yukon getragen werden und über die polarjournal.net bereits einen Artikel veröffentlicht hat. Mit dabei als Führerinnen: Shania Hogan und ihre Mutter Robin Smarch, beide Mitglieder der Teslin Tlingit First Nation und Mitgestalterinnen eines der ausgestellten Ensembles. „Diese Gewänder erzählen sowohl kulturelle als auch persönliche Geschichten und verweben Erzählungen über Identität, Tradition und Zukunft”, betont Sarah Manthei. Sie zeugen auch von einer bemerkenswerten Handwerkskunst in den Bereichen Perlenstickerei, Karibufell-Tufting, Weberei und Korbflechterei, welche das Publikum bei den Führungen entdecken kann.

Wer kennt sie nicht, die Outfits der amerikanischen Hochschulabsolventen? Diese Kleidung besteht aus einem Gewand und einer quadratischen Kopfbedeckung und wird bei Abschlussfeiern getragen. Ein wichtiges Ereignis, das für die indigenen Gemeinschaften des Yukon eine besondere Bedeutung hat, weshalb sie beschlossen, ihre eigenen Kreationen zu entwerfen, die ebenso beeindruckend wie symbolisch sind. Foto: Robert Postma / NONAM

Die Führung findet in Form eines Dreiergesprächs mit Florian Gredig, dem Kurator der Ausstellung, statt. Ein Moment des Dialogs, der die Geschichten hinter den Symbolen, Motiven und Materialien zum Vorschein bringt. „Mode trifft auf Tradition, wenn indigene Familien lange vor der Abschlussfeier Designs entwickeln und diese mit außergewöhnlicher Handwerkskunst umsetzen“, erklärt das Museum.

Den Blick entkolonialisieren, den Horizont erweitern

Das NONAM, das sich hauptsächlich auf die indigenen Kulturen Nordamerikas konzentriert, möchte auch eine Rolle bei der Aufwertung der europäischen indigenen Kulturen, wie z.B. der Samen, spielen. Ein klares Bekenntnis des Zürcher Museums zur Offenheit. „Obwohl sich das NONAM hauptsächlich auf die indigenen Kulturen Nordamerikas konzentriert, sehen wir es auch als Teil unserer Mission an, das Bewusstsein für die indigenen Gemeinschaften weltweit zu schärfen – einschließlich derer, die uns näher stehen, wie die Sámi“, sagt Sarah Manthei. Indem es den Sámi einen Platz einräumt, möchte das Museum eine Reflexion über die Vielfalt der indigenen Erfahrungen anregen und „[…] gemeinsame Herausforderungen wie Landrechte, die Bewahrung von Sprachen oder kulturelle Widerstandsfähigkeit hervorheben.“

Dieser Ansatz ist Teil eines umfassenderen Wandels in der öffentlichen Wahrnehmung. „Wir haben einen subtilen, aber bedeutenden Wandel beobachtet. Die Besucher kommen nicht mehr nur, um Kulturen zu entdecken, die als andersartig wahrgenommen werden, sondern um die zeitgenössischen Realitäten und die selbstbestimmten Stimmen der Ureinwohner zu verstehen.“

Diese zunehmende Anerkennung zeigt sich auch in einer neuen Aufmerksamkeit für Fragen der historischen Gerechtigkeit, der kulturellen Aneignung oder des indigenen Wissens im Kampf gegen die Umwelt. Für das Museum, das seit langem auf partizipative Arbeit und Dialog setzt, ist diese Entwicklung ein Grund zur Hoffnung. „Die Tatsache, dass dieser partizipative und respektvolle Ansatz heute mehr Anerkennung findet, stärkt unsere Museumspraxis“.

Das in Zürich ansässige NONAM ist somit ein kultureller Akteur, der ferne Gebiete und Erinnerungen miteinander verbindet, die durch ähnliche Kämpfe vereint sind. Ende Juni werden im Innenhof des Museums die Stimmen der Arktis im Rhythmus der Gesänge der Samen und der Erzählungen der Tlingit erklingen und im Herzen Europas eine sensible Kartografie der indigenen Kulturen der Polarregionen entwerfen.

Das detaillierte Programm findet man auf der NONAM-Website.