Unterwegs in der Polarnacht – mit Norwegens Eisbrecher RV Kronprins Haakon

von Marcel Schütz
11/13/2025

Silje van Mierlo auf dem Helikopterdeck des norwegischen Forschungsschiffes Kronprins Haakon (Bild: Vegard Stürzinger)

Longyearbyen (Spitzbergen), 9. November 2025 – Nach einer rund zweieinhalb wöchigen Forschungsreise im hohen Norden ist der norwegische Eisbrecher „Kronprins Haakon“ vor drei Tagen aus dem arktischen Eis in den Hafen von Longyearbyen zurückgekehrt. Die Besatzung und das internationale Wissenschaftsteam an Bord brachten wertvolle Daten und Proben aus den Tiefen des Arktischen Ozeans mit.

Die Expedition führte die Forschende bis an den 85. Breitengrad, rund 500 Kilometer vom geographischen Nordpol entfernt. Unter harschen Bedingungen und der bereits voranschreitenden Polarnacht untersuchten Forscherinnen und Forscher verschiedene ozeanografische Prozesse. Ziel war es unter anderem, besser zu verstehen, wie sich der fortschreitende Klimawandel auf die empfindliche Polarregion auswirkt.

RV Kronprins Haakon im Eis bei Nordaustlandet auf Spitzbergen (Bild: Wikidata)

Die Kronprins Haakon ist eines der modernsten Polarforschungsschiffe der Welt und der norwegische Stolz in den Polargebieten. Sie ist mit hochmoderner Forschungstechnologie ausgestattet – darunter Unterwasserfahrzeuge, mehrere Labore und ein Hubschrauberdeck. Auf dieser Expedition kamen vor allem eine CTD-Rosette, Echolote sowie Plankton- und Fischereinetze zum Einsatz, erklärt Silje van Mierlo, Masterstudentin aus Bergen.

Mit ihren 23 Jahren gehört Silje zur jungen Generation leidenschaftlicher Wissenschaftlerinnen, die die Zukunft der Meeresforschung mitgestalten. Als Studentin am Institut für Meeresforschung (Havforskningsinstituttet) in Bergen hatte sie die Gelegenheit, an dieser außergewöhnlichen Winterexpedition ins Packeis teilzunehmen.

Silje van Mierlo an der Arbeit – CTD-Rosette (Bild: Silje van Mierlo)

Ein Weg in die ozeanografische Forschung

Silje schloss ihren Bachelor in Meereswissenschaften am Eckerd College in St. Petersburg, Florida, ab und konzentriert sich nun in ihrem Masterstudium auf das Karbonatsystem.

Das Karbonatsystem beschreibt das chemische Gleichgewicht zwischen gelöstem Kohlendioxid, Bikarbonat und Karbonationen, das den pH-Wert des Meerwassers reguliert, Säure puffert und bestimmt, wie viel CO₂ der Ozean aufnehmen kann – und damit das Überleben vieler Meeresorganismen beeinflusst.

Mit einer CTD-Rosette sammelte sie Proben zur Messung von Tiefe, Leitfähigkeit und Temperatur. Diese Daten liefern grundlegende Informationen darüber, wie sich physikalische Bedingungen mit der Tiefe verändern. Weitere Analysen und Wasserproben liefern chemische Daten wie pH-Wert, gelöstes CO₂, Gesamtalkalinität und gelösten anorganischen Kohlenstoff. Nur die Kombination dieser Messungen ermöglicht ein Verständnis des Zustands des Karbonatsystems.

So können Wissenschaftler die Hauptfaktoren identifizieren, die Veränderungen im Karbonatsystem verursachen, und verfolgen, wie sich die Ozeanversauerung entwickelt. Regelmäßige CTD-Profile erzeugen ein detailliertes Bild der chemischen und physikalischen Veränderungen im Ozean – eine wichtige Grundlage, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Meeresökosysteme einzuschätzen.

Da diese Expeditionen regelmäßig wiederholt werden, können Forschende Veränderungen über die Zeit verfolgen und zugrunde liegende Prozesse besser verstehen.

Helikopterdeck – RV Kronprins Haakon (Bild Silje van Mierlo)

Forschung im 24-Stunden-Betrieb

Während der Expedition arbeitete Silje häufig Nachtschichten. Da auch andere Projekte parallel liefen, musste immer dann gearbeitet werden, wenn das Schiff das jeweilige Forschungsgebiet erreichte. Die wissenschaftlichen Arbeiten liefen rund um die Uhr, dennoch folgte der Alltag einem festen Rhythmus:

  • 07:30–08:00 Frühstück
  • 11:30–12:30 Mittagessen
  • 15:00 Kaffee & Kuchen
  • 17:00–18:00 Abendessen

Die Auswertung der Expedition steht noch ganz am Anfang, gilt aber bereits als wichtiger Beitrag zum Verständnis der arktischen Wintermonate. „Für konkrete Ergebnisse ist es noch zu früh“, sagt Silje, „aber wir haben bereits festgestellt, dass es weiter nördlich deutlich weniger Fische gibt.“

Dies könnte sich jedoch mit dem Rückzug des Meereises und veränderten Strömungen ändern. „Mit der Erwärmung des Ozeans dringen atlantisches Wasser und Fischarten weiter nach Norden vor – eine Entwicklung mit weitreichenden ökologischen und geopolitischen Folgen“, erklärt Silje.

Leben und Alltag an Bord

Trotz der anspruchsvollen Arbeit blieb das Gemeinschaftsgefühl stark. „Es gab eine gute Balance zwischen wissenschaftlicher Disziplin und sozialem Miteinander“, sagt Silje. In den Pausen spielte man Karten oder Brettspiele, veranstaltete Mario-Kart-Turniere auf der Nintendo Switch oder sah Filme im Gemeinschaftsraum.

Für Abwechslung gab es einen kleinen Fitnessraum, und der Hangar bot Platz für Workouts oder Tischtennis – eine willkommene Möglichkeit, nach langen Schichten abzuschalten. Aufgrund der hohen geografischen Breite verbrachte die Besatzung die gesamte Reise in Dunkelheit; Tage und Nächte gingen nahtlos ineinander über.

Begegnungen im Eis

Ein besonderes Highlight war die Sichtung von Tieren: „Wir haben Robben und Belugas gesehen, aber trotz vieler Spuren keine Eisbären – wegen der Dunkelheit konnte man leider nicht sehr weit sehen.“

Der beeindruckendste Moment der Reise war jedoch der Moment, als die Kronprins Haakon in das dichte Meereis einbrach. „Das Knacken und Grollen, als das Schiff sich durch das Eis schob, war unvergesslich“, erinnert sie sich. Ihre Kabine lag direkt auf Höhe der Eislinie: „Man hörte ständig das Knirschen und Schaben des Eises – ein ganz besonderer Klang. Ich werde ihn vermissen“, sagt sie lächelnd.

RV Kronprins Håkon am Bråsvellbreen bei Nordaustlandet auf Spitzbergen (Bild: Silje Van Mierlo)

Marcel Schütz, PolarJournal