Der Klimawandel verändert den Rhythmus der Natur, besonders deutlich zeigt sich dies in der Arktis. Dort beginnt der Frühling inzwischen deutlich früher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Für viele Zugvogelarten, die in den hohen Breiten brüten, hat das weitreichende Folgen. Sie müssen ihre Wanderung immer weiter beschleunigen, um rechtzeitig in ihren Brutgebieten anzukommen.
Ein niederländisch-dänisches Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass diese Anpassung für viele Vögel zunehmend zur Belastung wird. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht und von phys.org aufgegriffen wurde, analysierten die Wissenschaftler mehr als 500 dokumentierte Frühjahrszüge von fünf arktischen Wasservogelarten, darunter Ringel-, Nonnengänse, Bläss- und Kurzschnabelgänse sowie Zwergschwäne. Die Forscher kombinierten umfangreiche Trackingdaten mit langfristigen Messungen des Körpergewichts der Tiere in ihren Winterquartieren.
Die Ergebnisse zeigen ein klares Bild: Um früher in der Arktis einzutreffen, verkürzen die Vögel sowohl ihre Fressphasen vor dem Abflug als auch ihre Zwischenstopps während des Zuges. Dieses beschleunigte Tempo erlaubte es ihnen bislang, mit dem immer früher einsetzenden Frühling Schritt zu halten, doch der Spielraum wird kleiner.
Wissenschaftler der Universität Amsterdam und des Niederländischen Instituts für Ökologie warnen, dass diese Strategie nur noch begrenzt wirksam sein wird. Analysen von Klimatrends und Daten der Schneeschmelze deuten darauf hin, dass die Vögel ihren Zug lediglich für weitere 18 bis 28 Jahre beschleunigen können. Danach wird selbst dieses Maximum nicht mehr ausreichen, um den veränderten Umweltbedingungen zu folgen. Spätestens zur Mitte des Jahrhunderts dürften viele Arten gezwungen sein, grundlegend neue Wege zu finden, etwa durch die Verlagerung ihrer Überwinterungsgebiete oder eine vollständige Änderung ihrer traditionellen Zugrouten.
Dabei stößt die Anpassungsfähigkeit der Tiere schon heute an natürliche Grenzen. Schneller ziehen bedeutet weniger Zeit zur Nahrungssuche, doch auf Zwischenstationen sind hochwertige Nahrung, günstiges Wetter und möglichst wenig Störungen entscheidend, um ausreichend Energie zu tanken. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, verschlechtert sich der körperliche Zustand der Tiere. Das könnte langfristig zu geringeren Bruterfolgen und schrumpfenden Populationen führen.
Die Studie macht deutlich: Der Klimawandel zwingt selbst hochmobile Arten wie Zugvögel zu immer riskanteren Anpassungen. Wie lange sie diesem Tempo noch folgen können, ist ungewiss, doch sicher ist, dass sich ihre Lebensräume und Überlebensstrategien in den kommenden Jahrzehnten stark verändern werden.
Heiner Kubny, PolarJournal

