Der Polare Rückblick – Ein auf Grund gelaufener Eisberg, eine Gesundheitsstudie in Tromsø und US-Zölle in der kanadischen Arktis

von Polar Journal AG Team
03/10/2025

Der Polare Rückblick greift die jüngsten Ereignisse aus den Polarregionen auf. Diese Woche befassen wir uns mit dem Eisberg A23a – der neue Nachbar Südgeorgiens –, einer norwegischen Generationen-übergreifenden Gesundheitsstudie und den Auswirkungen der US-Zölle in der kanadischen Arktis.

Der riesige Eisberg A23a, mit einer Fläche von der Größe der Insel Mallorca, sitzt vor der Küste Südgeorgiens am Meeresboden fest. Foto: Benoit Gineste

Der Polare Rückblick ist eine gemeinsame Veröffentlichung des Polar Journal Teams. Jede*r Autor*in wählt ein Thema aus, das sie oder er in der vergangenen Woche interessant fand. Die Initialen am Ende eines jeden Abschnitts geben die/den Autor*in an. Wir wünschen Ihnen viel Spaß damit.

Südgeorgiens neuer Nachbar: Eisberg A23a vor der Insel auf Grund gelaufen

Die Route, die der Eisberg A23a seit dem 17. Januar 2025 genommen hat, bevor er am 1. März 2025 vor Südgeorgien auf Grund lief. Karte: Mapping and Geographic Information Centre, British Antarctic Survey

Die älteren Königspinguine und Südlichen Seeelefanten auf Südgeorgien erinnern sich vielleicht noch wie der damals weltgrößte Eisberg A68a, der im Südsommer 2020/2021 südlich an Südgeorgien vorbei driftete und schließlich zerfiel, ihnen zeitweise den Weg in ihre Nahrungsgründe versperrte.

Jetzt konfrontiert sie der Eisberg A23a – dem aktuell größten Eisberg der Welt – mit einer ganz ähnlichen Situation. Seit dem 1. März sitzt der Eisriese, der in etwa die doppelte Fläche wie der Großraum London einnimmt, 73 Kilometer südwestlich von Südgeorgien fest, wie der British Antarctic Survey (BAS) berichtet.

A23a brach im Jahr 1986 am Filchner-Eisschelf ab und steckte mehr als 30 Jahre lang am Meeresboden des Weddellmeeres fest. Seit sich der Eisberg 2020 erneut in Bewegung setzte, wird er von Forschenden des BAS genau beobachtet. Jetzt liegt ihr besonderes Augenmerk auf seinem Einfluss auf die Nährstoffverfügbarkeit in seiner Umgebung.

Auch wenn die Pinguine und Robben möglicherweise einen Umweg bei der Nahrungssuche nehmen müssen, geht Dr. Andrew Meijers, Ozeanograph am BAS, nicht davon aus, dass die Tiere der Insel beeinträchtigt werden. Sie könnten sogar von dem Eisberg profitieren, denn es wird erwartet, dass veränderte Strömungen und das Schmelzen des Eisbergs mehr Nährstoffe bereitstellen, erklärt Dr. Meijers in einer Pressemitteilung.

Die vielen Eisberge die zuvor eine ähnliche Route nahmen, zerfielen relativ rasch, trieben weiter und schmolzen. Jetzt bleibt es spannend zu sehen, wie sich A23a in den nächsten Monaten verhalten wird.

Auf die Frage, ob die Geschichte der Eisberge mit der globalen Erwärmung in Verbindung gebracht werden kann, sagt er: „Eisberge, einschließlich Mega-Eisberge wie dieser, sind ein ganz normaler Teil des Lebenszyklus der antarktischen (und grönländischen) Eisschilde. […]  Beobachtungen zeigen jedoch, dass die Eisschelfe seit dem Jahr 2000 etwa 6000 Giga (Milliarden) Tonnen ihrer Masse verloren haben. Dies entspricht in etwa der Zunahme des direkten Abschmelzens des Schelfeises und deckt sich mit dem gemessenen Massenverlust des Inlandeises der Antarktis, der auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückgeführt wird.“ J.H.

Gesundheit in 400 Fragen in Tromsø

Die Tromsø-Studie feiert ihr 50-jähriges Bestehen, und mehrere Generationen haben daran teilgenommen. Foto: Marius Fiskum

Am 3. März begann in dieser Stadt im hohen Norden Norwegens die 8. medizinische Forschungskampagne der Tromsø-Studie. Die erste Ausgabe geht auf die Jahre 1974-1975 zurück, als in den Fischerdörfern der Arktis die Männer jung starben. Die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie körperliche Aktivität, Essen, Trinken und Rauchen waren hoch. Infolge dieser Erkenntnis und der daraufhin ergriffenen Maßnahmen hat sich die Lebenserwartung wieder an den nationalen Durchschnitt angeglichen. Die Studie hat das Vertrauen der Anwohner gewonnen. Im Jahr 2015 hatte die 7. Kampagne eine Teilnahmequote von 65%.

Die Themen der Umfrage haben sich im Laufe der Zeit erweitert. „Das Rauchen geht zurück, aber das Vaping (Rauchen von E-Zigaretten, Anm. d. Ü.) betrifft mehr junge Menschen“, sagte die Sprecherin der Studie, Siv Eli, gegenüber Polar Journal AG. In diesem Jahr wurden dreißig Forschungsprojekte ausgewählt.

Etwa 37.000 Einnwohner im Alter von 40 Jahren und älter wurden aufgefordert, den Fragebogen auszufüllen. Die Umfrage besteht aus etwa 400 Fragen, deren Umfang je nach Gesundheitszustand des Befragten variiert. Die Daten sind anonym, und die Studie könnte den Zugang zu kostenlosen Beratungen ermöglichen.

Klinische Untersuchungen, Auskultationen und Befragungen werden im Sjølundvegen 3 durchgeführt, wo ein Scanner zur Untersuchung von Osteoporose installiert wurde. „Vor allem Frauen“, fügt Siv Eli hinzu. „Kleine Frakturen im Rückenbereich werden zu selten diagnostiziert.“ Ein Grund dafür könnte der schwierige Zugang zu medizinischer Versorgung sein, und diese Verletzung kann die Ursache für chronische Schmerzen sein.

Neu in diesem Jahr: die Frage der Haushaltsautonomie im Falle eines Versorgungsengpasses – Strom, Wasser, Lebensmittel und Medikamente. „Nützliche Informationen im Falle eines Sturms, Konflikts oder Krieges“, erklärt die Sprecherin.

Die Regierung hat dieses Mal 20 Millionen Kronen investiert und damit die Aufwendungen der Tromsø-Studie verdoppelt. C.L.

Kanadische Arktis-Gemeinden stehen zusammen, während der Handelsstreit den Norden erschüttert

Die negativen Auswirkungen der neuen US-Zölle hängen wie dunkle Wolken über den kanadischen arktischen Gemeinden. Dennoch sind sie entschlossen, ihre Bundesregierung und deren Entscheidungen zu unterstützen, um den verhängten Zöllen entgegenzuwirken. Foto: Michael Wenger

Während eine vorübergehende Pause bei der Eskalation der US-Zölle einen Moment des Aufatmens bietet, wirft der zugrunde liegende Handelsstreit zwischen den USA und Kanada weiterhin einen langen Schatten auf die arktischen Gemeinden. Für Kanadas nördliche Territorien ist dies nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung, sondern eine Frage der regionalen Souveränität und Widerstandsfähigkeit. Die Botschaft aus der kanadischen Arktis ist klar: Sie stehen geschlossen hinter der Bundesregierung und sind bereit, in gleicher Weise zu reagieren.

Nunavuts proaktive Entfernung von in den USA hergestellten Spirituosen aus den Geschäften des Territoriums war eine frühe und symbolische Demonstration dieser Entschlossenheit. Diese Maßnahme hat nicht nur unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen, sondern signalisiert auch eine entschlossene Haltung des Nordens gegenüber den als unfair empfundenen Handelspraktiken.

Interessanterweise offenbart der Handelsstreit potenzielle Schwachstellen in der US-Arktis selbst. In Skagway, Alaska, macht man sich große Sorgen über die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gemeinde. Die Abhängigkeit Skagways von Handels- und Lieferketten, die sich von Yukon aus erstrecken, verdeutlicht die Verflechtung der arktischen Region, ungeachtet der nationalen Grenzen. Die Zölle, mit denen Kanada unter Druck gesetzt werden soll, könnten ungewollt den arktischen Gemeinden in den USA schaden, die von diesen grenzüberschreitenden Beziehungen abhängig sind, was einen möglichen Nebeneffekt des Streits verdeutlicht.

Während die unmittelbaren Preisauswirkungen in einigen abgelegenen kanadischen Arktis-Gemeinden kurzfristig abgefedert werden können, sind sich die Verantwortlichen in der Arktis der längerfristigen Risiken für die Versorgungsketten und die wirtschaftliche Stabilität sehr wohl bewusst. Die Abhängigkeit von jährlichen Großtransporten macht diese Gemeinden besonders anfällig für anhaltende Handelsunterbrechungen.

Abgesehen von den direkten Vergeltungsmaßnahmen könnte die kanadische Arktis auch mit umfassenderen nationalen Strategien zur Diversifizierung von Wirtschaftspartnerschaften in Einklang stehen. Kanadas veränderter Ansatz in Bezug auf Technologie und Infrastruktur, der durch eine vorsichtigere Haltung gegenüber Unternehmen wie Starlink veranschaulicht wird, könnte im Norden eine besondere Resonanz finden. Für abgelegene arktische Regionen ist die Kontrolle über die Kommunikationsinfrastruktur und Technologieanbieter von strategischer Bedeutung. Daher kann ein einheitlicher kanadischer Ansatz zur Verringerung der Abhängigkeit von bestimmten ausländischen Unternehmen, auch wenn er als „Anti-Musk-Pivot“ bezeichnet wird, als eine Form der wirtschaftlichen Selbstverteidigung angesehen werden, die von den arktischen Gebieten unterstützt wird.

Die Pause bei der Eskalation der Zölle könnte ein wichtiges Zeitfenster für Dialog und Deeskalation bieten. Die von den kanadischen Arktisregionen gezeigte Entschlossenheit unterstreicht jedoch, dass jede dauerhafte Lösung die besonderen Bedürfnisse und Schwachstellen dieser nördlichen Gemeinden berücksichtigen und ihre feste Ausrichtung an Kanadas breiterer Handelsstrategie anerkennen muss. M.W.

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