Der Polare Rückblick greift die jüngsten Ereignisse aus den Polarregionen auf. Diese Woche befassen wir uns mit einem bebenden Vulkan in Alaska, einem ernsten Gesundheitsproblem in Ittoqqortoormiit und einem Ökosystem, das durch einen kalbenden Eisberg entdeckt wird.
Der Polare Rückblick ist eine gemeinsame Veröffentlichung des Redaktionsteams von polarjournal.net. Jeder Autor wählt ein Thema aus, das er in der vergangenen Woche interessant und wichtig fand. Die Initialen am Ende eines jeden Abschnitts geben die/den Autor*in an. Wir wünschen Ihnen viel Spaß damit.
Ausbruch des Vulkans Mount Spurr in Alaska steht offenbar kurz bevor
Die Karte zeigt alle Erdbeben, die vom 1. April 2024 bis zum 10. März 2025 registriert wurden. Karte: Aaron Wech, Alaska Volcano Observatory / U.S. Geological Survey
Seit fast einem Jahr registriert das Alaska Volcano Observatory (AVO) seismische Aktivität unter dem schneebedeckten Stratovulkan Mount Spurr rund 130 Kilometer westlich von Anchorage – und die Anzeichen für einen bevorstehenden Ausbruch mehren sich.
Seit April 2024 wurden in der Region bereits über 3.400 kleine Erdbeben gemessen. Bei den jüngsten Überflügen des AVO-Teams wurden außerdem deutlich erhöhte Schwefeldioxidemissionen und reaktivierte Fumarolen im Kraterbereich festgestellt. Auch Schnee- und Eisschmelze rund um den Gipfel deuten darauf hin, dass sich Magma unter der Oberfläche bewegt.
Bei einem Überflug am 7. März hat das AVO einen Schwefeldioxidausstoß von rund 450 Tonnen pro Tag aus dem Gipfelschlot von Mt. Spurr gemessen, was bestätigt, dass neues Magma in die Erdkruste unter dem Vulkan eingedrungen ist. Dies deutet darauf hin, dass es in den kommenden Wochen oder Monaten zu einer Eruption kommen könnte. Der genaue Zeitpunkt ist jedoch nicht vorhersehbar, weshalb das AVO die Situation mithilfe von Satelliten, Seismographen und Luftaufnahmen kontinuierlich überwacht.
Das wahrscheinlichste Szenario ist dem AVO zufolge ein oder mehrere explosive Ausbrüche, die – wie in den Jahren 1953 und 1992 – Aschewolken produzieren könnten, die mit dem Wind über Hunderte Kilometer weit getragen werden würden. Zudem könnten pyroklastische Ströme und ballistische Schauer die Flanken des Vulkans treffen. Das Tal des Chakachatna River könnte von Schlammlawinen, sogenannten Lahars, überschwemmt werden.
Für die Menschen in Süd-Zentral-Alaska bedeutet die Unruhe des Vulkans vor allem eines: wachsam bleiben. Denn auch wenn Mount Spurr weitgehend unbewohnt liegt, könnten Ascheausstoß und mögliche Luftverschmutzung die Region stark beeinträchtigen – und auch den Flugverkehr. J.H.
PFAS auf der Speisekarte für die Einwohner von Ittoqqortoormiit
PFAS-Werte, die 13-mal höher sind als der Risikogrenzwert. Diesem Wert sind die grönländischen Jäger in Ittoqqortoormiit ausgesetzt, wie eine am 10. März in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichte Studie zeigt. Das ist genauso hoch wie die Werte, die bei Feuerwehrleuten, Fabrikarbeitern und in Fällen von direkter Grundwasserkontamination in Schweden und Italien festgestellt wurden.
Um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen, schätzten die Forschenden die wöchentliche Exposition der Bewohner dieser ostgrönländischen Gemeinde gegenüber Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) auf der Grundlage ihres Verzehrs von Ringelrobben und Eisbären. PFAS werden über weite Strecken auf dem Luft- und Seeweg transportiert und reichern sich in den Organen dieser Tiere an.
Forschende gehen davon aus, dass diese Werte im Körper der Inuit bis 2090 hoch bleiben werden. Dies ist gesundheitlich bedenklich, da PFAS schädliche Auswirkungen auf das Immun-, Hormon- und Fortpflanzungssystem haben können. Hohe Werte von Quecksilber und polychlorierten Biphenylen (PCB) wurden auch in den Körpern der Einwohner von Ittoqqortoormiit gefunden.
Das Autorenteam der Studie rät den Menschen, ihre Ernährung zu diversifizieren und fordern gleichzeitig eine strengere Regulierung von PFAS. PFAS, die in der Industrie weit verbreitet sind, sind zusammen mit PCBs in unserem täglichen Leben allgegenwärtig. Sie gelten als persistente Schadstoffe, die in der Umwelt verbleiben und die Nahrungskette kontaminieren. M.B.
Eine kleine Drehung des Propellers für ein ROV, ein „Riesensprung“ für die antarktische Wissenschaft
Eine Riesenqualle mit einem Durchmesser von einem Meter und einer Länge von 10 Metern zieht vor den staunenden Augen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Forschungsschiff Flakor vorbei. In einer Pressemitteilung, die am 20. März veröffentlicht wurde, gab das Schmidt Ocean Institute bekannt, dass es ein bewohntes Riff unter dem George VI Schelfeis in der Antarktis entdeckt hat.
„Das Wissenschaftsteam war ursprünglich in dieser abgelegenen Region, um den Meeresboden und das Ökosystem an der Schnittstelle zwischen Eis und Meer zu untersuchen“, sagte die Geschäftsführerin des Schmidt Ocean Institute, Dr. Jyotika Virmani. „Direkt vor Ort zu sein, als dieser Eisberg vom Schelfeis kalbte, war eine seltene wissenschaftliche Gelegenheit.“
Der A-84 hatte die Größe von Chicago, als er am 19. Januar vom Eisschelf abbrach, und die Flakor steuerte allein in der Bellingshausen See auf den frei gewordenen Stelle zu. Sie nutzte die Gelegenheit und blieb zwischen den verbliebenen Eisstücken, um das ROV SuBastian zu Wasser zu lassen.
An acht Tagen Ende Januar konnten sie den Meeresboden von 1.300 Metern Tiefe bis zur Oberfläche beobachten. Auf 1.150 Metern wurde ein Oktopus im Felsen fotografiert. Riesige Seespinnen, Korallen und Fische wurden ebenfalls im Scheinwerferlicht des Unterwasserfahrzeugs gesehen. In 230 Metern Tiefe lebte eine Gemeinschaft von Anemonen und Schwämmen, die „seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit Hunderten von Jahren aktiv sind“, wie es in der Pressemitteilung heißt.
„Das Team war überrascht von der bedeutenden Biomasse und Artenvielfalt der Ökosysteme und vermutet, dass sie mehrere neue Arten entdeckt haben“, heißt es in dem Bericht. Unter den 150 Meter dicken schwimmenden Eisabschlüssen der Antarktis ist das Leben möglicherweise reicher als erwartet. Der Mechanismus, der dieses Ökosystem antreibt, ist noch unbekannt, aber Strömungen und der Nährstofffluss könnten eine Rolle spielen. C.L.
Frühere Polare Rückblicke