Forschende untersuchten erstmals eine Algenblüte auf einer antarktischen Eiskappe und entdeckten eine erstaunliche Vielfalt mikrobiellen Lebens. Allerdings beschleunigen die Verfärbungen die Schmelze.
Der weitaus größte Teil der Antarktis ist von Schnee und Eis bedeckt – doch nicht überall findet man schneeweiße Flächen vor. Wie auf Eiskappen und Gletschern auf der Nordhalbkugel, gibt es auch in der Antarktis Regionen, in denen Schnee und Eis rötlich oder violett verfärbt sind.
Von Studien in alpinen Regionen und in Grönland weiß man, dass diese Verfärbungen auf kältetolerante Mikroorganismen – Bakterien, Cyanobakterien, Algen, Pilze und mikroskopisch kleine Tiere – zurückzuführen sind.
Solche Gemeinschaften hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Scottish Association for Marine Science (SAMS) jetzt auch in der Antarktis entdeckt – auf der Eiskappe von Robert Island nordwestlich der Spitze der Antarktischen Halbinsel. Ihre Ergebnisse wurden am 18. März in Nature Communications veröffentlicht.
Ein übersehenes Ökosystem
Zwei Monate verbrachten die Forschenden auf der Insel, um die Mikroorganismen in ihrem Lebensraum zu untersuchen. Sie fanden erstmals direkte Beweise für die Existenz photosynthetisch aktiver Gemeinschaften auf Eiskappen in der maritimen Antarktis. Diese unterscheiden sich von anderen bereits erforschten Kryoflora-Gemeinschaften wie den roten und grünen Schneealgen auf Schneeflächen in Küstennähe.
«Dies ist das erste Mal, dass diese Gemeinschaften auf einer Eiskappe der Antarktis kartiert und im Detail untersucht wurden», sagt Dr. Alex Thomson, Algenforscher an der SAMS und Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung der SAMS. «Wir wissen, dass eisfreie Gebiete in der Antarktis als Oasen für das Leben dienen, aber die Entdeckung dieses Ausmaßes und dieser Vielfalt an Leben auf dem Eis selbst war wie die Entdeckung von Wäldern in einer Wüste.»
Mit einer Fläche von etwa 2,7 Quadratkilometern bedeckte die Algenblüte auf Robert Island rund 6 % der bisher kartierten, terrestrischen photosynthetischen Flächen in der Antarktis – ein bemerkenswerter Anteil. Die Forschenden gehen davon aus, dass ähnliche Lebensgemeinschaften auch auf anderen antarktischen Eiskappen vorkommen, womit sie zu den flächenmäßig größten photoautotrophen Ökosystemen in der maritimen Antarktis zählen könnten.
Anders als im Norden – und in einzigartiger Vielfalt
Mikroskopische und genetische Analysen ergaben, dass sich die Zusammensetzung der Algengemeinschaften auf Robert Island deutlich von vergleichbaren Gemeinschaften auf Gletschern der Nordhalbkugel unterscheidet.
Während sie im Norden von Arten der Gattung Ancylonema dominiert werden, fanden die Forschenden hier eine gemischte Gemeinschaft mit ungewöhnlich hohen Anteilen an Grünalgen, genauer gesagt Chlorophyceae und Trebouxiophyceae. Besonders bemerkenswert: Die genetischen Analysen zeigen eine große Vielfalt innerhalb der Gattung Ancylonema – darunter auch bislang unbekannte Varianten, die nur in der Antarktis vorkommen.
Algen tragen messbar zur Eisschmelze bei
Das Forschungsteam untersuchte auch den Einfluss der Algenblüte auf die Albedo der Eisoberfläche und fand heraus, dass die leuchtend roten und violetten Pigmente, die die Algen produzieren, das Sonnenlicht absorbieren.
Die daraus resultierende lokale Erwärmung erhöht den Berechnungen der Forschenden zufolge die Schmelzrate um bis zu 5 Millimeter pro Tag. Das entspricht einem Beitrag von bis zu 2,4 Prozent zum gesamten Eisverlust in der Untersuchungsregion.
Auch wenn diese Werte unter denen stark betroffener Gebiete wie Grönland liegen, trägt die biologisch verstärkte Schmelze angesichts der Ausdehnung bedeutend zur Gesamtschmelze der Eiskappe auf Robert Island bei.
«Jetzt, da wir wissen, dass es in der Antarktis große Gletscheralgengemeinschaften gibt, wollen wir herausfinden, wie verbreitet sie sind, wie sie zur Artenvielfalt in der Antarktis beitragen und welche Rolle sie bei der Beeinflussung der Gletscherschmelzraten spielen», sagt Dr. Andrew Gray, Forscher am Norwegian Institute for Nature Research und Co-Autor der Studie, in der Pressemitteilung.