Norwegen hat beschlossen, Pläne für den Tiefseebergbau in arktischen Gewässern mindestens bis 2029 auszusetzen. Die Entscheidung, die am 1. Dezember 2025 bekannt gegeben wurde, ist Teil eines politischen Kompromisses im Zusammenhang mit dem Staatshaushalt 2026. Während der laufenden Legislaturperiode werden keine neuen Lizenzen vergeben, und die öffentliche Finanzierung für die Kartierung von Meeresboden-Mineralien wird reduziert.
Diese Pause bedeutet eine deutliche Abkehr von früheren Plänen, 280.000 Quadratkilometer des norwegischen Festlandsockels für mineralische Aktivitäten zu öffnen – eine Fläche fast so groß wie Italien. Der Meeresboden wird auf 38 Millionen Tonnen Kupfer, 45 Millionen Tonnen Zink und erhebliche Mengen an Seltenen Erden geschätzt, die für erneuerbare Energietechnologien entscheidend sind. Ursprünglich sollten die Arbeiten um 2030 beginnen, doch das Moratorium verzögert den Zeitplan um mindestens vier Jahre.
Im Folgenden werfen wir einen Blick darauf, wie verschiedene Interessengruppen auf diese Entscheidung reagieren – von Wissenschaft und Industrie über Umweltorganisationen bis hin zu indigenen Gemeinschaften und internationalen Akteuren.
Wissenschaft begrüßt Zeit für Forschung
Norwegische Forschungseinrichtungen haben positiv auf das Moratorium reagiert und betont, dass die Pause entscheidende Zeit bietet, um Wissenslücken zu schließen. Das Norwegische Institut für Meeresforschung bekräftigte, dass fünf bis zehn weitere Jahre Forschung erforderlich sind, bevor verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden können. Wissenschaftler der Universität Bergen (Zentrum für Tiefseeforschung) und der Universität Stavanger weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um mögliche Auswirkungen auf Hydrothermalquellen, Sedimentwolken und die Biodiversität zu verstehen.
Forscher betonen, dass die kommenden Jahre genutzt werden sollten, um solide Umweltgrundlagen und Überwachungsrahmen zu entwickeln, damit zukünftige Aktivitäten auf belastbaren wissenschaftlichen Daten basieren.
Industrie sieht Risiken für die Energiewende
Vertreter der Industrie betrachten die Entscheidung als Rückschlag für Norwegens Rolle im globalen Wettbewerb um kritische Rohstoffe. Unternehmen argumentieren, dass die Pause die Sicherung von Ressourcen verzögern könnte, die für die Energiewende unverzichtbar sind – darunter Kupfer, Zink und Seltene Erden, die in Batterien, Windkraftanlagen und Elektrofahrzeugen verwendet werden.
Anette Broch, CEO des Bergen-basierten Start-ups Adepth Minerals, bezeichnete das Moratorium als „enttäuschend, aber nicht alarmierend“ und betonte, dass Tiefseebergbau entscheidend bleibe, um die Abhängigkeit vom Landbergbau zu verringern und Lieferketten zu sichern. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die Nachfrage nach Mineralien wie Kupfer und Nickel bis 2040 doppelt so hoch sein könnte – ein Faktor, der die Dringlichkeit der Debatte unterstreicht.
Umweltorganisationen feiern die Entscheidung
Umwelt-NGOs wie WWF und Greenpeace begrüßen das Moratorium als „historischen Sieg für die Natur“. Sie betonen, dass wissenschaftliche Empfehlungen und öffentlicher Druck eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung gespielt haben und fordern Norwegen nun auf, ein weltweites Verbot des Tiefseebergbaus zu unterstützen.
Sami und arktische Gemeinschaften fordern Mitsprache
Sami-Vertreter und andere arktische Gemeinschaften sehen die Pause als Schritt in die richtige Richtung, betonen jedoch, dass zukünftige Entscheidungen eine echte Konsultation erfordern. Die Sorge gilt möglichen Auswirkungen auf traditionelle Lebensgrundlagen wie Fischerei und Rentierhaltung sowie auf das kulturelle Erbe.
Ailo Gaup, Sprecher des Umweltausschusses des Sami-Parlaments, erklärte:
„Die Arktis ist unser Zuhause. Selbst vorübergehende Störungen der Meeresökosysteme können Fischgründe und die kulturelle Landschaft beeinträchtigen. Wir begrüßen die Pause, betonen aber, dass indigene Stimmen zukünftige Entscheidungen leiten müssen.“
Europäisches Parlament und internationale Perspektive
Das Europäische Parlament verfolgt die Entwicklungen im Tiefseebergbau aufmerksam und betont die Notwendigkeit starker Umweltschutzmaßnahmen und internationaler Zusammenarbeit. In jüngsten Resolutionen fordern Abgeordnete einen vorsorgenden Ansatz beim Abbau von Meeresbodenressourcen und verweisen auf den Schutz der Biodiversität, den Klimaschutz und die Rechte indigener Gemeinschaften.
Ein Sprecher des Europäischen Parlaments kommentierte:
„Norwegens Entscheidung, den Tiefseebergbau zu pausieren, steht im Einklang mit den EU-Prioritäten zum Schutz der Meeresökosysteme und zur Entwicklung nachhaltiger Lieferketten für kritische Rohstoffe.“
Ausblick
Das Moratorium verdeutlicht ein globales Dilemma: Wie können Mineralien für die Energiewende gesichert werden, ohne die Ozeanökosysteme zu gefährden? Die nächsten vier Jahre könnten entscheidende Weichen für Forschung, Regulierung und nachhaltige Alternativen wie Recycling und verantwortungsvollen Landbergbau stellen.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob technologischer Fortschritt mit dem Erhalt fragiler Meeresökosysteme vereinbar ist – ein Test unserer Fähigkeit, die dringende Nachfrage nach kritischen Mineralien mit den unbekannten Folgen der Störung der Tiefsee in Einklang zu bringen.
Lisa Scherk, PolarJournal

