Im Hafen von Ilulissat fahren jeden Tag Fischer durch das Eis hinaus und wieder zurück. Wir haben zwei von ihnen getroffen. Sie erzählen uns, was sie an ihrem Beruf mögen und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.
Wir sind früher als geplant am Treffpunkt, in der Nähe der Tankstelle an der Ecke des Hafens von Ilulissat. Hinter der Zapfsäule, die fast ununterbrochen halbleere Tanks füllt, steht ein rotes Torhaus mit vergitterten Fenstern, in dem die Fischer ein- und ausgehen. Hier bezahlen sie ihre Rechnungen und kaufen Munition, Kaffee, eine Schaufel und alle möglichen in Plastik verpackten Ausrüstungen. Wir hängen nun schon seit zehn Tagen hier herum, und unsere Anwesenheit stört nicht mehr die Gespräche, die um die nächste Bank herum stattfinden. Pele Blytmann sitzt da, die Mütze auf dem Kopf und die Sommersprossen im Gesicht, und wartet auf Joel Hansen, einen Englisch sprechenden Kollegen. Möwen flattern wie immer um die Boote und Kisten mit frisch angelandetem Fisch. Um elf Uhr kommt er.
Pele Blytmann angelt seit seiner Kindheit und hat seit seinem 16. Lebensjahr diese Berufung zum Beruf gemacht. „Viel mehr habe ich nicht zu erzählen, denn ich war schon immer ein Fischer“, sagt er mit sanfter Ironie. Er hat die Hände in den Taschen, ein kleines Grinsen, das sich jedes Mal in seiner Wange bildet, wenn er nachdenkt, und die stille Gewissheit von Männern, die noch nie selbst suchen mussten.
Er lernte sein Handwerk mit den Augen, indem er den Fischern seiner Kindheit im Hafen zusah. Dann von Hand, sobald er mit einem alten Hasen aufs Meer hinausfahren konnte: Köder auslegen, Netze auswerfen… ein Trick nach dem anderen. Seit er im Alter von 16 Jahren nach Ilulissat gezogen ist, fischt er nur noch mit dem Boot. Davor war er mit dem Hundeschlitten von Ilimanaq aus auf dem Packeis unterwegs, um zu fischen, indem er ein Loch ins Eis schlug.
In den 80er-Jahren arbeitete er auf einem Krabbenkutter, doch 1996 stellte ihn seine Frau vor die Wahl: das Meer oder die Familie. Er entschied sich für die Familie – doch hinaus auf das Meer zieht es ihn bis heute, Tag für Tag. Mit seinem fünf bis sechs Meter langen Boot, das den Namen seines Vaters trägt: Blytmann. Ein 300-PS-starker Motor bringt ihn sicher voran, was auch immer kommt. „Ich repariere ihn nie selbst, sondern überlasse das einem Mechaniker – so bleibt er zuverlässig“, sagt er mit Nachdruck und fügt hinzu, dass er keine Geschichten über Pannen zu erzählen habe. Meist ist er allein unterwegs, doch wenn er Hilfe braucht, bittet er seinen Neffen Liam, ihn zu begleiten.
Mit dem Boot in die Freiheit
Jeden Tag im Jahr zum Fischen hinauszufahren, ist für ihn kein Problem – im Gegenteil: Genau das gibt ihm das Gefühl von Freiheit. Keine Bürozeiten, stattdessen bestimmt das Wetter den Takt. Die Gefahren des Meeres nimmt er dabei sehr ernst: „Ich verfolge die Vorhersagen genau, um zu wissen, wann das Eis den Fjord schließen wird.“ Die Diskobucht kennt er wie seine Westentasche – ihre Strömungen, das Verhalten des Eises und der Tiere, nach denen er sucht. Am liebsten fischt er mit Langleinen, doch in den wenigen Wintermonaten setzt er auch Netze ein.
Auch wenn der Heilbutt hier der traditionelle Fisch ist, zieht der Kabeljau seit rund zehn Jahren zunehmend die Bucht hinauf. Seit etwa fünf Jahren wird er gezielt befischt und vermarktet. Sein Auftauchen hängt mit wärmerem Wasser und der Tatsache zusammen, dass die Bucht inzwischen fast das ganze Jahr über für die Schifffahrt offen ist. Der Klimawandel lässt sich hier als Chance begreifen – zumindest für einige Fischer, die nun nahezu das ganze Jahr über arbeiten können. Für jene jedoch, die traditionell mit Schlitten, Hunden und Schneemobilen unterwegs sind, bringt er wenig Gutes: Das Eis wird immer seltener.
Pele Blytmann ist das erste gewählte Mitglied eines Fischerverbands – und stets bereit, seinen Mitgliedern zu helfen. Er engagiert sich, um über diesen Beruf und seine Ausübenden zu wachen – genau deshalb wurde er ernannt.
Joel Hansen fischt seit 2009. Er hat den Beruf gewechselt und das Festland hinter sich gelassen – samt Holzspänen und Tischlerhandwerk. Von Südgrönland zog es ihn hinauf nach Ilulissat, wo er den Fischen nachstellt, wie andere der Erlösung. Wie Pele Blytmann empfindet auch er Freiheit bei seiner Arbeit. „Als Tischler habe ich zehn Stunden am Tag gearbeitet. Jetzt sind wir manchmal drei Tage am Stück auf See – aber das ist Freiheit“, sagt er, fest auf beiden Beinen sitzend.
Der Preis dafür ist, dass man mit der lauernden Gefahr leben muss. Er erinnert sich daran, wie er einmal im Eis feststeckte und 18 Stunden brauchte, um im Hafen zu landen, obwohl er nicht sehr weit entfernt war. Unter Fischern ist es normal, dass ein Motor ausfällt oder Wasser in den Rumpf eindringt, aber die Solidarität der Seeleute ist kein Mythos. Mit dem Meer und mit den Kameraden. „Wenn wir ein Problem haben, bitten wir um Hilfe, und wir halten zusammen, egal was passiert“, erklärt er.
Gerne, hier die Passage mit „Herausforderung“:
Am liebsten fischt er Heilbutt – nicht nur wegen des guten Preises, sondern auch wegen der Herausforderung, die dieser Fisch mit sich bringt. Zwar hat er ein paar Hunde, doch für das Fahren mit dem Schlitten bleibt ihm keine Zeit. Gemeinsam mit fünf anderen Fischern, darunter auch Pele Blytmann, leitet er zudem den Verband EABB. Das kleine Büro steht in einer Hütte am Hafen, direkt gegenüber den Fabriken von Halibut und Royal Greenland, wo sie ihren Fang verkaufen. C.L.
Ilulissat: Zubringerhafen
Ilulissat ist eine Hochburg der Fischerei. Die geografische Lage der Stadt macht es leicht, aufs Meer hinauszufahren, so dass eine Welle neuer Einwohner zugewandert ist, die noch nicht auf der Einwohnerliste steht.
Eine Besonderheit der Region um Ilulissat ist der Fjord Sikuiuitsoq. Er bleibt das ganze Jahr über zugefroren, da am Fjordende keine Gletscher kalben und die Strömung des Eisfjords seine Mündung schützt. „Der Heilbutt hier ist von außergewöhnlicher Qualität“, sagt Bendt Kristiansen, Leiter der Wirtschaftsentwicklung im Distrikt Avannaata, gegenüber polarjournal.net. Ruderfußkrebse sind hier besonders zahlreich – auch dank der Eisberge. Die Fischer haben deshalb Hütten in der Nähe der Eisberge errichtet und erreichen ihre Fangplätze von Ilulissat aus mit Schneemobilen und Hundeschlitten. Dieses Stück Packeis ist bislang vom Klimawandel verschont geblieben, doch der Schnee wird im April zunehmend knapp – was den Zugang mit dem Hundeschlitten erschwert.
Gegenüber von Ilulissat ist das Eis immer seltener. „Die Bootsausflüge werden immer häufiger, und die Fänge sind nicht weniger zahlreich“, erklärt Bendt Kristiansen. Die Branche spürt sogar einen positiven Effekt, denn die Einnahmen sind im Laufe des Jahres stabiler. Ein negativer Effekt, der von den Managern festgestellt wurde, sind die Winterstürme, die in manchen Jahren alle Aktivitäten für mehrere Wochen blockieren können.
Der Gemeinderat ist nicht für die Festlegung der Fangquoten zuständig. Er arbeitet jedoch mit den Fischern zusammen, um Lizenzen für das Fischen mit Langleinen und Netzen auszustellen. Für Heilbutt, Kabeljau und Narwale gibt es eine festgelegte Fangmenge pro Region – etwa in Thule weiter nördlich, in der Diskobucht oder im Uummannaq-Fjord. In diesem Jahr regelt ein neues Gesetz auch die Fischerei mit Booten unter sechs Metern Länge, die nach und nach in das Quotensystem aufgenommen werden. Wer eine Lizenz erhalten will, muss seit mindestens fünf Jahren fischen und den Fang an die städtischen Fabriken liefern.